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Die Klimakrise bedroht Leben und Wohlergehen von Kindern weltweit. Besonders betroffen ist der globale Süden. © Charles Nambasi/Pixabay

Finanzplatz Schweiz bedroht Kinderleben

Daniela Gschweng /  Der sehr hohe CO2-Fussabdruck der Schweiz bedroht die Rechte von Kindern weltweit, sagt die UNO.

«UNO mahnt Schweiz: klimaschädlicher Finanzplatz wird Kinder töten» titelte die «Klimaallianz Schweiz» am 17. Oktober in einer Pressemitteilung. Das ist zwar zugespitzt, ganz falsch ist es nicht. Das Bild, das bei solchen Titeln entsteht, ist natürlich nicht zutreffend. Schweizer Banker laufen nicht kindermordend durch die Gegend, einen Teil der Verantwortung tragen sie aber schon.

Hintergrund der Aussage: Am 22. Oktober hat der UN-Kinderrechtsausschuss den jüngsten Länderbericht Schweiz vorgelegt, das Konzept lag der Klimaallianz vor. Die Schweiz muss nach der Kinderrechtskonvention alle fünf Jahre zur Lage der Kinderrechte im Land Bericht erstatten. Ein ausführliches Verfahren mit mehreren Rückmeldeschleifen, in das auch Nichtregierungsorganisationen (NGO) einbezogen werden.

Zwischen Geld, Klima und Kinderrechten besteht ein Zusammenhang

Das Kinderrechtskomitee stellt darin einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Finanzgebaren eines reichen Landes und dessen Auswirkung auf die Weltbevölkerung her.

«Der Ausschuss ist besorgt über den unverhältnismäßig hohen Kohlenstoff-Fussabdruck des Vertragsstaates, insbesondere durch Investitionen seiner Finanzinstitute in fossile Brennstoffe, sowie über die negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Luftverschmutzung auf die kindliche Gesundheit», so das UN-Kinderrechtskomitee wörtlich. 

Die Klimakrise ist vor allem auch eine Kinderrechtskrise, darauf wies das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, erst vor kurzem hin. Nach dem ebenfalls neu erstellten Klima-Risiko-Index für Kinder ist fast jedes Kind weltweit in irgendeiner Art von der Klimakrise betroffen.

Reiche Länder sind an der Klimakrise überproportional beteiligt

Auch der Weltklimabericht der IPCC betont, dass Kinder von den Auswirkungen der Krise, die nicht sie verursacht haben, stark betroffen sind. Bis in zehn, zwanzig oder dreissig Jahren werden Millionen Kinder an den Auswirkungen des sich wandelnden Klimas leiden oder daran sterben. Viele werden migrieren müssen oder ihr Leben wird sich durch die Erderwärmung anderweitig verschlechtern.

Schon bis 2030 wird die Klimakrise dafür sorgen, dass weltweit etwa hunderttausend Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung und etwa genauso viele Kinder unter 15 an Malaria und Durchfallerkrankungen sterben werden. Die Schweiz und insbesondere ihr Finanzplatz tragen dazu viel bei.

Dass der reichste Teil der Weltbevölkerung überproportional an der Erderhitzung beteiligt ist, ist bekannt (Infosperber «Die Reichsten schaden dem Klima am meisten»).

«Das Komitee empfiehlt, dass der Vertragsstaat … sicherstellt, dass private und öffentliche Finanzinstitutionen die Auswirkungen ihrer Investitionen im Hinblick auf den Klimawandel und die sich daraus ergebenden schädlichen Auswirkungen auf Kinder berücksichtigen, unter anderem durch die Einführung einer regelmäßigen Überwachung und Bewertung von Finanzinstitutionen im Hinblick auf ihre Investitionstätigkeit und Verabschiedung verbindlicher Regeln für diese Institutionen…», so der Länderbericht weiter.

Mit anderen Worten: Die Schweiz soll Divestment fördern, überwachen und Transparenz über die Klima- und damit Kinderfreundlichkeit von Anlagen herstellen.

Rechtlich bindend ist eine solche Empfehlung nicht, beziehungsweise erst dann, wenn Vorschläge in nationales Recht übernommen werden. Andererseits hat die Schweiz die Kinderrechtskonvention ratifiziert und muss sich damit bemühen, sie umzusetzen. Eine gewisse Verpflichtung besteht also durchaus.

Der Druck in Richtung Regulierung steigt

Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz, hält die Empfehlung des Kinderrechtskomitees für juristisch bedeutsam. Von «Infosperber» befragte Juristen ordnen die Empfehlung als «Soft Law» ein. Dazu zählen neben nicht bindenden, aber doch wirksamen internationalen Übereinkünften wie der Menschenrechtskonvention oder der Istanbul Convention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auch Selbstregulierungen von Unternehmen.

«Soft Law» sei ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und politisch in der internationalen Zusammenarbeit sehr wichtig, erklärt ein Fachmann. Es dient nicht nur der Rechtsauslegung, sondern auch als Anstoss und Vorlage für konkrete Gesetze. «Die Konvention verpflichtet die Schweiz, alles zu unternehmen, um ihre Verpflichtungen einzuhalten und damit auch die Empfehlungen im Rahmen von Staatenberichten ernst zu nehmen und durchzusetzen», bestätigt er.

Zahlreiche Organisationen sind für eine Regulierung

Die Klima-Allianz, in der zahlreiche Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen sind, erwägt die Lancierung einer Volksinitiative für einen klimafreundlichen Finanzplatz. Mitglieder der Klima-Allianz wie Fastenopfer dringen darauf, dass die Schweiz ihre Verantwortung wahrnimmt und wirtschaftliche Interessen anpasst. «Public Eye» kritisiert fehlende Regulierungen und fehlende Transparenz im Rohstoffhandel schon seit langem.

Regulierungen zur Klimawirksamkeit des Finanzplatzes will die Schweiz laut Ueli Maurer vorerst nicht (SRF). Unter anderem mit dem Argument, eine international gültige Definition einer «nachhaltigen Anlage» gebe es derzeit noch nicht, der Markt sei noch sehr im Wandel. Man setze auf Selbstverpflichtungen des Bankensektors. Andere Parteien als Maurers SVP sehen das nicht ganz so. Die SP Schweiz und die Grünen dringen auch nach dem Scheitern von CO2-Gesetz und Konzernverantwortungsinitiative auf eine Regulierung des Finanzplatzes.

PS: Unser Leser Markus Keller von «Klimastadt Zürich» weist uns auf eine Ausstellung der UNICEF mit dem Motto «Die Umweltkrise ist eine Kinderrechtskrise» hin, die vom 20. November bis 23. Dezember im Klimapavillon Zürich (Werdmühleplatz) stattfindet. Diesen Hinweis geben wir hier gerne weiter.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

AfrikaHilfe

Afrika: Ausbeutung und Hilfe

Die Industriestaaten profitieren von Hungerlöhnen und Kinderarbeit. An Korruption sind sie oft beteiligt.

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Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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3 Meinungen

  • am 10.11.2021 um 11:14 Uhr
    Permalink

    Eine Verurteilung der Schweiz durch den Gerichtshof für Menschenrechte infolge der Klage der KlimaSeniorinnen würde den Druck auf eine wirksame Regulierung zusätzlich erhöhen.

  • am 10.11.2021 um 11:32 Uhr
    Permalink

    ‹Der sehr hohe CO2-Fussabdruck der Schweiz bedroht die Rechte von Kindern weltweit›
    Was ist das für eine aberwitzige Kausalität. Etwas Objektives bedroht etwas Subjektives, etwas so Unwichtiges wie Rechte. Wenn man hungert, braucht man zu essen, aber keine Rechte.

  • am 12.11.2021 um 09:30 Uhr
    Permalink

    Der hohe CO2-Fussabdruck der Schweiz bedroht die Rechte von Kindern weltweit, sagt die UNO. Die Schweiz könnte vorwärts machen und ihren CO2-Fussabdruck verkleinern. Warum nicht vorwärts machen mit Investitionen in Solar- Wind- und Geothermie Anlagen? Häuser besser isolieren? Stattdessen investieren Schweizer Geldhäuser immer noch Milliarden in ausländische Rüstungskonzerne. Laut dem neusten Report von ICAN stecken sie sogar Milliarden auch in Unternehmen, die an der Produktion von Atombomben beteiligt sind, die Credit Suisse, UBS, Schweizerischen Nationalbank usw.: $63 billion drop in investments: New report shows impact of nuclear weapons ban treaty on nuclear weapons business – ICAN (icanw.org)

    Die Organisation ICAN, Friedensnobelpreisträger 2017 schreibt: «Das Schweizer Banken Geld in die Weiterentwicklung von Massenvernichtungswaffen investieren, ist umso erstaunlicher als dies eigentlich verboten ist. Seit der Revision des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) vom 1. Januar 2013 gibt es ein gesetzliches Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen. Darunter fallen auch Atomwaffen, welche in Art. 7 Abs. 1 lit. a KMG aufgeführt sind». (4) SR 514.51 (admin.ch)
    1981 Milliarden US-Dollar so viel Geld investierten Länder weltweit im vergangenen Jahr in ihre Armeen. SIPRI Yearbook 2021, Summary

    Heute hungern 811 Millionen Menschen auf dieser Erde. 41 Millionen stehen am Rande einer Hungersnot, die extremste Form des Hungers, die zum Tod durch Hunger oder Krankheit führen kann.

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