Agrarallianz Schweiz
5. April 2022

Der Krieg in der Ukraine führt uns drastisch vor Augen, wie stark vernetzt die Welt und ihre Agrarmärkte sind. Der Konflikt zeigt, wie fragil dieses Netzwerk aus Handelsbeziehungen und Warenströmen ist.

Der Krieg zeigt, dass es wenig braucht, um das Gleichgewicht empfindlich zu stören. Und er rückt die Frage in den Vordergrund, wie die Versorgung mit gesunden und nachhaltig hergestellten Lebensmitteln gesichert werden soll.

Zuletzt fand eine solche Diskussion 2017 im Rahmen der Abstimmungen zur Ernährungssicherheitsinitiative statt. Diese führte bekanntlich zu Artikel 104a der Bundesverfassung, der von zahlreichen Organisationen der Land- und Ernährungswirtschaft unterstützt wurde. Demnach schafft der Bund die Voraussetzungen für die sichere Versorgung mit Lebensmitteln namentlich durch den Schutz des Kulturlandes, eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion, eine auf den Markt ausgerichtete Land- und Ernährungswirtschaft, grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen und einem ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln.

78 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben im September 2017 diesem erweiterten Auftrag an die Landwirtschaft zugestimmt. Die Stimmbevölkerung hat den Weg einer marktorientierten, gesunden, produktiven und nachhaltigen Landwirtschaft bestätigt und einen politischen Rahmen geschaffen. Dieser Rahmen ist nach wie vor gültig. Nicht nur, weil die Bevölkerung hinter dem Beschluss steht, sondern auch, weil die Ergänzung inhaltlich überzeugend die Komplexität der Landwirtschaft auffängt.

Und was heisst das für die aktuelle Krise auf den Lebensmittelmärkten und in Bezug auf die Ukraine?

Zunächst: es gibt keine einfachen Lösungen. Wer sich mit der Land- und Ernährungswirtschaft befasst, weiss, dass alles zusammenhängt, dass Produktion und Konsum auf vielfältige Art und Weise gelenkt werden. Dabei hat die Ressourceneffizienz der Produktion eine starke Wirkung auf die Ökosysteme. Die Art der Produktion hat einen grossen Einfluss darauf, ob Biodiversität geschaffen oder zerstört wird. Und der Anteil Food Waste wirkt sich auf die tatsächlich verfügbaren Lebensmittel aus.

Das lässt erahnen: einer Krise ist nur mit einem Mix an Massnahmen beizukommen. Das wusste schon Friedrich Traugott Wahlen. Der legendäre Planer der Anbauschlacht sah eine ganze Reihe von Eingriffen vor: Die Erhöhung der Eigenproduktion wurde begleitet von der Reduktion der Viehzucht bei gleichzeitiger Ausweitung des Ackerbaus. Das Ziel war die Produktion von möglichst vielen pflanzlichen Kalorien auf allen verfügbaren Flächen. Unterstützt durch Rationierung sollte die Selbstversorgung der Schweiz gesichert werden.

Interessanterweise ist die Ausgangslage im 21. Jahrhundert die gleiche. Die Versorgung ist eine anspruchsvolle Aufgabe – sowohl politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Sie schliesst alle Akteure mit ein. Dass die Zukunft in einer intensiven Landwirtschaft mit viel Input (Dünger, Energie, Futtermittel) liegt, darf getrost bezweifelt werden.

Vielmehr können mit dem Absenkpfad für Nährstoffe die Kreisläufe der Schweizer Landwirtschaft geschlossen und Hofdünger besser genutzt werden. Das macht die Land- und Ernährungswirtschaft unabhängiger von Düngerimporten und hohen Energiepreisen. Die ganze Branche gemeinsam kann Konsumentinnen und Konsumenten unterstützen, bewusster saisonal, regional, biodiversitätsfreundlich und klimaschonend einzukaufen. Das stärkt nicht nur die Nachfrage nach inländischen Produkten, sondern verbessert nebenbei noch die Klimabilanz der Landwirtschaft. Wir sollten die Agrarpolitik so ausrichten, dass sie standortangepasste pflanzliche Produktion stärkt und Fehlanreize reduziert. Hinzu kommt: es ist nicht nur der politische Rahmen, der eine Verbesserung der Situation ermöglicht. Es sind viele Entscheidungen auf den Höfen, in den Lieferketten und vor dem Ladenregal, die die Land- und Ernährungswirtschaft und ihre Umwelt gestalten und zur Versorgungssicherheit beitragen.

Beitrag von Geschäftsführer Hansjürg Jäger, leicht gekürzte Variante veröffentlicht in der BauernZeitung vom 1. April 2022