LitteraNova

 

 

Foto: Kilian Schwarz @ Public Hildesheim

 

 

DAS LITTERANOVA WIRD 14 – BETREIBER JENS HEINEMANN IM PUBLIC-GESPRÄCH

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – seit 14 Jahren ziert die Hesse-Weisheit die Heimstatt des Litteranova. Als Jens Heinemann den Traditionsclub vor knapp drei Jahren – mitten im zweiten Corona-Lockdown – übernommen hatte, war von Zauber allerdings nicht viel zu spüren. Inzwischen hat das Lino längst wieder Kurs aufgenommen. PUBLIC-Redaktionsleiter Kilian Schwartz hat mit dem Lino-Chef gesprochen.

Holpriger Start, zauberhafter Anfang

 

Sucht man nach einem schlechtmöglichen Szenario, das ein Gastronom beim Eröffnen einer neuen Gastronomie haben kann – Jens Heinemann hat es erlebt.

Ein Rückblick: Mitte März 2020 hat ein neuartiges Virus Deutschland in den Ausnahmezustand versetzt. Auch wenn in den darauffolgenden Monaten die Verordnungen zum Schutz gegen Corona immer wieder neu justiert werden sollten – für die Gastronomie war das Jahr ein gewaltiger Schlag in den Nacken. Auch in Hildesheim lag die Kneipenszene brach, die unberechenbaren Änderungen, wer, wie und wann öffnen durfte, sorgte für Wut, Verzweiflung und mancherorts gar für Resignation.

Als eines Tages im März ein E-Mail Newsletter von Kersten Flenter, zuständig für die Pressearbeit im Litteranova, das erst vorzeitige, kurz darauf dann das endgültige Aus des Clubs in der Wallstraße verkündete, schien die Sache klar zu sein. Doch nicht etwa Corona war der Grund, warum Lino Gründer Marcus Dost die Schotten dicht machte. Dost war zum zweiten Mal Vater geworden, das Familien- und das Kneipierleben verträgt sich bekanntlich nicht gut „Ich brauchte erstmal zwei Tage, um mich zu fangen“, erinnert sich Jens Heinemann. Mehrere Shows hatte er als Frank Sinatra-Interpret Marco Vegas in den vergangenen Jahren im Litteranova absolviert, das Aus des Clubs ging ihm an die Nieren. „Ich habe dann aus Spaß gesagt: Wenn Marcus keinen Bock mehr hat, ich bin bereit!“

Aus dem Spaß wurde Ernst. Erste Gespräche wurden geführt, Sympathien ausgetauscht, ein Businessplan erstellt „Marcus hat mir großes Vertrauen geschenkt“, weiß Heinemann. „Im Gegenzug habe ich sein Baby weitergeführt.“ Heinemann habe darauf bestanden, dass sowohl der Name, das Konzept und das Team unter seiner Ägide unverändert weitergeführt werde. Hier und da wurde trotzdem etwas gefeilt, es gab einen frischen Anstrich, eine neue Getränkekarte, ein neues PA-System, ein Billardtisch und Monitore, auf denen das Bühnenprogramm auch in den Raucherbereich und den „Gewölbekeller“ übertragen werden konnte. Außerdem hat Heinemann im hinteren Eck des Clubs ein Minireisebüro eingerichtet (eins seiner weiteren Standbeine ist seit 2005 ein Touristikunternehmen). Im September 2020 dann die große Neueröffnung – und vier Wochen später der Lockdown. Pustekuchen.

Zehn Monate lag der Betrieb auf Eis, erst im August 2021 startete Heinemann wieder mit Veranstaltungen. „Aber seitdem haben wir jedes Wochenende durchgezogen“, sagt er. Seine Hartnäckigkeit beschert ihm ein dankbares Echo. Bei seinem Stammpublikum werde er sogar als Retter der Linos gefeiert, sagt er und grinst. Heinemann weiß, welchen Ruf das Litteranova unter dem Hildesheimer Publikum genießt. „Das Lino muss als kulturelle Einrichtung bewahrt bleiben“, ist er sich sicher. Dafür kniet sich Heinemann ordentlich rein. Mittlerweile hat er auch das Booking für die Veranstaltungen übernommen. Hatte das Konzertprogramm im Lino früher einen deutlichen Hang zu Blues- und Rockformaten, ist Heinemann bemüht, Genregrenzen aufzulösen und vor allem auch Neulinge ins Lino zu laden.

„Ich weiß ja, wie ich als Künstler angefangen habe. Jeder Künstler braucht eine Bühne. Deshalb haben wir das Angebot breiter aufgestellt.“ Abgelehnt habe er bisher noch niemanden. Dass die Acts, statt eine feste Gage zu bekommen, auf Hut spielen, werde außerdem vom Publikum wertgeschätzt. Die Bands wiederum sollten sich bei und rund um ihren Auftritt wohl fühlen. Und bleibe der Hut mal weniger gut gefüllt, sorge er für einen Ausgleich. Das Rundumpaket hat sich offenbar herumgesprochen: Bis Mitte des nächsten Jahres sind die Acts im Lino schon ausgebucht.

Bei all der Zuversicht: Könnte im Herbst nicht schon wieder die nächste Schließung drohen? „Davor habe ich wirklich Schiss“, sagt Heinemann, der seit Pandemiebeginn auch in der Impfstelle der Malteser arbeitet. „Die Leute haben sich zwar dran gewöhnt, Maske zu tragen und Abstand zu halten. Aber wir können halt noch nicht absehen, wie es wird.“ Bereits in der Vergangenheit habe es mehrmals Probleme gegeben mit Gästen, die in den verwinkelten Räumlichkeiten des Linos ihre Masken nicht aufgesetzt hätten und es dadurch zu Diskussionen gekommen sei. Corona bleibt jedenfalls ein unberechenbarer Faktor. Und ein kräftezehrender dazu.

Das macht sich auch in Heinemanns gesundheitlicher Verfassung bemerkbar. Gut gehe es ihm derzeit nicht, sagt er und spricht von einer Erkrankung der Lunge. 16 Zigarren habe er zeitweise täglich geraucht, dazu schlechte Ernährung und der Dauerstress, den er zwischen Litteranova, seiner Reiseagentur und seinem Tonstudio, das er in Giesen betreibt, aushält. Die Zigarren lasse er jetzt weg, auch habe er angefangen, mehr auf seinen Körper zu achten „Ich habe einen 16-Stunden-Tag. Aber ich habe mich dafür entschieden. Es gibt halt gute und schlechte Zeiten.“ Zwar habe er sich einen weniger holprigen Start gewünscht, aber unterm Strich liefen die Geschäfte inzwischen gut. Das habe er allerdings auch Marcus Dost zu verdanken, der während des Lockdowns auf die Miete verzichtet habe. „Das war ein richtig guter Zug von ihm“, sagt Heinemann.

Während andernorts die Preise angehoben werden, will Heinemann im Lino die Kosten für seine Gäste vorerst nicht erhöhen. Im Gegenteil: Ab Oktober soll es eine Zusatzkarte für Cocktails geben, zudem soll den ganzen Monat der 14-jährige Geburtstag mit allerlei Veranstaltungen gefeiert werden. Künftig soll es zudem möglich sein, dass Gäste über die Smartphone-App „Favio“ von ihrem Platz aus Getränke ordern können. Neu im Programm wird ein regelmäßiger Karaokeabend sein, auch die Impro- und Quizabende – beide erfreuen sich großer Beliebtheit –, sollen weiterhin stattfinden.

Auch wenn also aller Anfang – und dieser besonders – schwer sind: ein bisschen Zauber liegt trotzdem in ihnen.

 

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