An vielen Schulen sorgt der Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas für Gesprächsbedarf. Nach Überzeugung der Berliner Deutsch-Palästinenserin Jouanna Hassoun darf das nicht ignoriert werden. Die Geschäftsführerin des Bildungsvereins Transaidency hat zusammen mit Shai Hoffmann, einem Berliner Sozialunternehmer mit israelischen Wurzeln, ein Projekt gestartet, bei dem sie gemeinsam Schulen nicht nur in Berlin besuchen und Jugendliche zu Wort kommen lassen.

«Wir sprechen über die Emotionen, weil Schülerinnen und Schüler unheimlich viel Schmerz, Verzweiflung, manchmal auch Panik empfinden», sagte Hassoun der Deutschen Presse-Agentur. «Wir geben ihnen den Raum, darüber zu sprechen und beantworten ihre Fragen.»

Hassoun ist zum Runden Tisch beim Bundespräsidenten eingeladen

«Wenn wir ihnen nicht den Raum geben, ihre Wut, ihre Verzweiflung, ihre möglicherweise unreflektierten Äußerungen einzuordnen, werden sie bei Social Media mit Fake News konfrontiert, sie landen vielleicht bei Hetzern, die ihre ideologische Sichtweise verbreiten wollen», so die Deutsch-Palästinenserin, die am Mittwoch auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammen mit Shai Hoffmann zum Runden Tisch «Krieg in Nahost: Für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland» im Schloss Bellevue eingeladen ist.

Auf Seiten der Schulen gebe es jetzt oft eine große Hilflosigkeit. «Wir bekommen verzweifelte Anrufe und Mails von Lehrkräften, die nicht wissen, wie sie mit dem Konflikt, mit den Emotionen, mit dieser Wut umgehen sollen, wie sie reflektiert über diese Thematik sprechen können», sagte Hassoun, die als Sechsjährige aus einem libanesischen Flüchtlingslager nach Deutschland gekommen ist. «Deswegen müssen wir diese jungen Menschen einfangen.»

Das Ziel ist Empathie für beide Seiten

«Lehrkräfte haben manchmal auch selbst antisemitischen Tendenzen oder eine komplett unreflektierte Haltung, was palästinensisches Leben angeht und solidarisieren sich automatisch mit Israel», sagte Hassoun, die Bildungsmanagement studiert hat. «Das ist oft auch bei den Schülerinnen und Schülern so, dass sie einseitig pro Palästina oder einseitig pro Israel sind. Das ist unser Ziel: dass wir genug Empathie für beide Seiten haben können. Da geht es um Humanität und Menschenrechte.»

«Unser Trialog-Projekt ist aus der Not heraus entstanden, nach dem Vorfall an der Schule in Neukölln, bei der es zu Auseinandersetzungen zwischen einem Lehrer und einem Schüler mit Palästinenserfahne gekommen ist», erzählte Hassoun. «Als wir das gesehen haben, dachten wir: Was passiert hier eigentlich? Und haben dann entschieden, wir müssen jetzt was machen und werden als Duo in Schulen gehen.»

«In den Schulen bieten wir einen «braver space» an, einen Raum, wo jede Schülerin, jeder Schüler seine Meinung äußern und den Mut haben kann, auch kontroverse Themen anzusprechen», sagte Hassoun. Der Terminkalender von Hassoun und Hoffmann ist voll. «Wir sind bis Ende des Jahres und darüber hinaus ausgebucht. Wir sind nur zwei Personen und hatten schon 300 Anfragen von Schulen.»

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